BINDUNGSTRAUMA IN PARTNERSCHAFTEN

Überlebensstrategien bei Trauma

Auswirkungen von Bindungstrauma

Überlebensstrategien sind unwillkürliche Bindungstrauma-Reaktionen. Sie gehen einher mit gelernten ungünstigen Selbstbildern und wirken prägend. Wie wir im Elternhaus, in der Schule, in Peergroups - sprich: im sozialen Umfeld gesehen wurden, was wir erlebt haben, in Abhängigkeit davon, wie wir es bis dato verarbeiten konnten, nehmen wir in das Erwachsenenalter und insbesondere in unsere Partnerschaften mit. Es beeinflusst unser Zusammenleben tief.  

Eine Partnerschaft mit einem entsprechenden "Päckchen" erfolgreich zu führen, ist zweifellos die stärkste Herausforderung in diesem Zusammenhang. Sie beinhaltet aber ebenso die Chance der Heilung, vorausgesetzt entsprechende PartnerInnen haben den tiefen Wunsch zu heilen. Der Wille, sich der eigenen Strategien, Muster und destruktiven Selbst- und Fremdbilder bewusst zu werden und hierfür Verantwortung zu übernehmen ist Voraussetzung. Dies setzt voraus, durch Schmerzen und Ängste zu gehen. 

Fight/Flight (Kampf/Flucht) und Freeze/Response (Erstarrung/Anpassung)

Während eines traumatischen Ereignisses muss die betreffende Person das Überleben sichern.

Schnelles instinktives Reagieren über das autonome Nervensystem sichert das Gefühl, die Situation zu überleben. Später reagiert das autonome Nervensystem in Situationen, die an das traumatische Ereignis erinnern.

Das kann ein Duft, ein Wort, ein Geräusch oder eine Mimik im Gesicht unseres Gegenübers sein, das wir mit dem einstigen traumatischen Ereignis, meist unbewusst, in Verbindung bringen - also Fehlinterpretieren. 

Die gesunde Fähigkeit die entsprechende Information aufzunehmen und emotional sowie rational im Großhirn zu verarbeiten, um zu einer Abwägung und ausgewogenen Reaktion zu kommen, ist nicht möglich.  

Wenn wir also wiederholt Hilflosigkeit in Gefahrensituationen erlebt haben, d.h. traumatisiert sind, reagiert unser autonomes Nervensystem mit sogenannten Überlebensstrategien in Situationen, die an die damalige Gefahr erinnert.

Mit der Polyvagaltheorie, von Dr. Stephen Porges entwickelt, sind wichtige Erkenntnisse für die Traumaheilung gewonnen. Sie beschäftigt sich mit der Verbindung zwischen dem Vagusnerv und dem autonomen Nervensystem, das unsere körperlichen Reaktionen auf Stress und Sicherheit reguliert.

Die Theorie betont die Rolle des Vagusnervs bei der Steuerung von Überlebensreaktionen und sozialen Interaktionen.

Sie unterteilt den Vagusnerv in drei Teile: 

1.Ventraler Vagus/Social Engagement System: Dieser Teil des Vagusnervs ist mit dem Zustand der Sicherheit und des sozialen Engagements verbunden. Wenn wir uns sicher und in einem unterstützenden sozialen Umfeld fühlen, fördert der ventrale Vagus Entspannung, gesunde Verdauung und soziale Interaktion.

2.Sympathikus-Aktivierung/Fight-or-Flight-System: Bei wahrgenommener Gefahr oder Stress aktiviert sich das Sympathikus-System, das Körperreaktionen wie erhöhte Herzfrequenz, gesteigerte Wachsamkeit und die Bereitschaft zur Konfrontation oder Flucht auslöst.

3.Dorsaler Vagus/Freeze-Response: Wenn das Gehirn eine Situation als überwältigend oder lebensbedrohlich wahrnimmt, kann der dorsale Vagusnerv aktiviert werden. Dies führt zu einer Freeze-Reaktion, bei der der Körper in eine Art Erstarrungszustand geht, um sich vor weiterem Schaden zu schützen. Der Mensch befindet sich dann in einem emotionslosen Funktionsmodus. 

Sucht

Unser Gehirn greift, wie gesagt, auch dann auch auf die letzten beiden Muster zurück, wenn wir uns nicht in Gefahr befinden, aber eine augenscheinlich unbedeutende Begebenheit uns an alte Trauma-Situationen erinnert.

Die neurale Verbindung von Aktion und Reaktion, ohne gesunde, reflektierende Verarbeitung des Verstandes,

wird dann, wie oben beschrieben, auch  durch harmlose "Trigger" ausgelöst.

Traumafolgestörungen sind vielfältig und individuell. Je nach Konstitution, innere und äußere sogenannte "Resilienzfaktoren" und insbesondere je nach dem auf  welche Entwicklungsphase des Heranwachsenden das traumatische Ereignis trifft, sind unterschiedliche Bedürfnisse verletzt. Die neueste körperorientierte Traumaheilung, genannt NARM, geht hierauf genauer ein. 

Es gibt viele psychische und auch körperliche Beschwerden, die sich auf Bindungstrauma zurückführen lassen. Die genannten Überlebensstrategien sind die direkten Folgeerscheinungen von Trauma.

Mir erscheint wichtig auf das Thema Sucht als wichtige, sehr weit verbreitete Traumafolge einzugehen. Dass Sucht im Zusammenhang mit Trauma eine große Rolle spielt, ist sicherlich für viele LeserInnen keine große Überraschung, 

Es liegt nahe, dass sich unerträglich anmutende existenzielle Angst- und Schmerzgefühle z.B. mit Essen, Handykonsum, Kaufen oder auch substanzabhängigen Suchtmitteln, wie Alkohol oder Drogen zunächst gut unterdrücken lassen. 

Überraschend und für Sie als LeserIn vielleicht neu und für die Heilung von Trauma-Erleben wichtig und wertvoll ist aber, dass das Wiederholen des Trauma-Erlebens selbst, sprich das aktive, wenn auch unbewusste Retraumatisieren, Suchtverhalten sein kann! Wie? Das möchte ich Ihnen gerne im Folgenden näher bringen!